Ich liebe Gott (und eine Frau) by Anton Aschenbrenner

Ich liebe Gott (und eine Frau) by Anton Aschenbrenner

Autor:Anton Aschenbrenner [Aschenbrenner, Anton]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2014-06-03T22:00:00+00:00


Gretchenfrage

* * *

»Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.« Wie Dr. Faustus möchte ich ebenfalls in der Antwort auf die Frage nach der Religion differenzieren. Es gilt zu unterscheiden zwischen Glauben und Kirche. Ja, noch genauer: zwischen dem, was ich als Grundlage meines Lebens voraussetze, und offiziellen Glaubensinhalten, also zwischen der Tätigkeit »glauben« und dem Inhalt »Glaube« auf der einen Seite. Und eine weitere Unterscheidung betrifft die Kirchen, Religionsgemeinschaften und religiösen Sozialsysteme. Angesichts der Gefahr, dass bei solchen Spekulationen nicht nur Goethes Gretchen aus der Diskussion aussteigt, möchte ich nicht zu spitzfindig und abstrakt werden.

Ich »glaube« der Wettervorhersage und packe vorsichtshalber die warmen Sachen ein. »Ich glaub an dich, Schatz, du schaffst die Prüfung schon!«, sage ich meiner Tochter. Ich »glaube«, dass zuvorkommend, fair, hilfsbereit und freundlich zu sein, sich langfristig bewährt. Bei dem Bekenntnis »ich glaube an Gott« werde ich jedoch wackelig, allein schon, weil das Wort »Gott« alles andere als eindeutig ist. Ich vertraue dem Leben, auch wenn ich fast täglich wahrnehme, wie grausam es in der Welt zugeht. Weil es uns ja relativ gut geht, haben meine Frau und ich Kindern das Leben geschenkt und hoffen, dass sie lebenslänglich froh darüber sind, leben zu dürfen. Aber wie wäre es, wenn ich in einem der Krisengebiete der Welt leben würde? Manchmal kann ich nachvollziehen, wenn Menschen sagen, ich will nicht mehr leben, und dies dann auch realisieren. Sie glauben, dass nicht mehr da zu sein besser ist, als da zu sein.

Solche Überzeugungen sind von ganz anderer Qualität als katholische Glaubensinhalte der Art, dass dieser Gott dreifaltig ist oder dass er Himmel und Erde erschaffen hat. Früher habe ich diese Ideen nicht in Frage gestellt, doch heute fällt es mir schwer zu erkennen, welche Bedeutung solche Glaubensinhalte für das konkrete Leben haben. Geht denn zwangsläufig derjenige achtsamer mit der Welt um, der glaubt, dass Gott sie erschaffen hat, als derjenige, der freudig staunt, in welch einem Umfeld er leben darf? Die Geschichte beweist, dass selbst im Namen des Glaubens an der Welt Raubbau betrieben wurde und Menschen versklavt wurden.

Sätze, die nicht automatisch und logisch eine bestimmte Konsequenz nach sich ziehen, die also genauso angenommen wie abgelehnt werden können, kann man auch streichen. Sie dienen in erster Linie zur Kaschierung von Machtkämpfen ganz anderer Art. Ob ich mir wünsche oder sogar davon überzeugt bin, dass mein Ich in einer irgendwie transformierten Weise nach dem Tod weiterlebt, hängt davon ab, welche Konsequenzen diese Überzeugung für mein aktuelles Tun und Lassen hat. Macht es mich unbekümmert, weil ich die Dinge, die ich jetzt nicht mehr schaffe, dann ja immer noch tun kann? Macht es mich mutig, mein derzeitiges Leben aufs Spiel zu setzen, weil sowieso ein nächstes kommt? Oder finde ich es nur schade, weil ich so manchem Verstorbenen gern noch mal begegnen und manches sagen würde? Ich glaube (d. h. vermute), viele sagen »ich glaube« ohne nachzudenken, was sie da sagen und damit meinen.

Menschen mit ähnlichen Überzeugungen schließen sich zusammen.



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